Bericht zur Lesung von Irena Brežná «Die undankbare Fremde»

veröffentlicht am Donnerstag, 10.12.2015


Am Donnerstag, den 10. Dezember, hat Irena Brežná aus ihrem Buch „Die undankbare Fremde“ gelesen – auf dem Akkordeon begleitet von Victor Pantiouchenko. Eingeladen hatte die Vortrags- und Lesegesellschaft im Toggenburg VLT.

Hans Jörg Fehle, der Präsident der VLT, begrüsste im katholischen Pfarreiheim in Wattwil zum Anlass am Menschenrechtstag. In seiner Einleitung betonte er, dass die VLT sich wegen ihrer Wurzeln im 18. Jahrhundert dem humanistischen Gedankengut der Aufklärung verpflichtet sieht. Nach dem 2. Weltkrieg ist die allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 am Ursprung einer Entwicklung des Rechts und der Rechtssprechung, an die sich alle Staaten halten müssen. Das sei nichts Freiwilliges oder Verhandelbares.
Darauf las Irena Brežná aus ihrem Buch, für das sie 2012 den Schweizer Buchpreis erhalten hat. Sie las von den Erfahrungen einer jungen Frau, die wie Irena Brežná selbst, mit ihren Eltern in die Schweiz gekommen ist und nun ihren Weg sucht, ohne sich selbst und ihre Herkunft zu verlieren. Ausserdem streute Irena Brežná Text-Auszüge ein, die ihre Erfahrungen als Dolmetscherin bei Asylbehörden und in Spitälern wiedergeben. Wegen einer Erkältung wurde sie dabei unterstützt von Hans Jörg Fehle.
Dem Gelesenen war zu entnehmen, dass Migration nicht gleich Migration ist. Die einen lernen in Rekordzeit eine neue Sprache und passen sich an. Andere versuchen, in der Fremde das Eigene zu bewahren und ziehen sich zurück. Irena Brežná hat aus ihrer Existenz als Flüchtling eine ganz eigene schriftstellerische Lebensform kreiert. Ihre Texte spiegeln eine wahrhaft inter-essante Sicht auf die Welt (Inter-esse = Dazwischen-Sein). Aus ihrem persönlichen Dazwischen-Sein ist eine Identität entstanden, die weder auf Mitleid noch auf Bewunderung angewiesen ist, sondern Neues in die Welt bringt: Texte, die überraschen, provozieren und manchmal zum Lachen bringen.
Die Akkordeon-Stücke, die Victor Pantiouchenko zum Programm beisteuerte, waren mehr als Pausenfüller oder Überbrückung. In seine Musik versunken, trug der gebürtige Ukrainer, der seit 25 Jahren in der Schweiz lebt, klassische und volkstümliche Stücke aus Osteuropa vor und liess sich auch um eine Zugabe bitten. So ergab sich ein Ganzes mit Irena Brežná, der Pionierin einer Gesellschaft, die nicht nur ein „Menschenrecht auf Fremdheit“ kennt, sondern auch Freude an all den Zwischenräumen entwickelt, die sich in einer globalisierten Welt notwendigerweise ergeben.
Die anschliessende Diskussion rundete den Anlass ab. Sie zeigte nochmals deutlich auf, dass es in der heutigen Zeit und in der Schweiz keine Alternative zu einer multikulturellen Gesellschaft gibt. Denn Menschen aus den Hügeln des Balkans sind Toggenburgern in der Art eher näher als Schweizer, die mitten in Zürich oder Genf wohnen. Die Kollekte des Abends ging an Amnesty International; für dieses hat Fabiola Abele auch Kerzen verkauft.

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